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BALLERMANN

Partytouristen freuen sich: Vor einigen Tagen hat die Ballermann Kult-Kneipe Bierkönig das erste Mal in diesem Jahr wieder geöffnet. Und damit ist die Saison auf Mallorca gestartet. Für mich ist das aber kein Grund zu Optimismus: Der Massentourismus nimmt nach der Corona-Pause wieder Fahrt auf.
Gewiss ist die Sehnsucht der Menschen nach Ortsveränderung in diesem Jahr größer als sonst und sehr viele werden endlich wieder die Koffer packen. Da viele Fernziele jedoch noch recht unsicher bleiben werden, kommen Destinationen wie Mallorca, Gran Canaria, Ibiza, Türkische Riviera oder Costa del Sol in Spanien als ideale Sehnsuchtsorte infrage.
Reisen ist in unserer Gesellschaft unbestritten zum Massenphänomen geworden. Dass unsere Welt aber immer fragiler und verletzlicher wird, sehen die meisten Mallorca Touristen nicht. Die touristische Verantwortung bleibt gänzlich auf der Strecke, üblicherweise schon bei der Party im Flieger nach/von Palma de Mallorca: Begehrlichkeiten wie Sonne, Strand, Erholung und Entspannung ignorieren Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz. So eine Fliegerparty mit reichlich Alkohol und Musik à la Mickie Krause oder Jürgen Drews habe ich selbst miterlebt, als ich beim Rückflug aus Portugal in Palma de Mallorca umsteigen musste.
Lassen sich die Gewohnheiten der Urlauber ändern? Kann man touristische Verantwortung erlernen? Und was sind die Alternativen, damit die Lust nach Urlaub nicht nur am Ballermann mit Partys und Saufen gestillt wird?
Die Verantwortung liegt bei jedem Menschen selbst. Die negativen Auswirkungen des unbegrenzten Reisens dürften mittlerweile allen bekannt und bewusst sein. Fliegen ist in höchstem Maß klimaschädlich: Der Treibstoffverbrauch, der Ausstoß von CO2 und die Belastung mit Stickoxiden ist viel höher als bei jeder anderen Art der Fortbewegung. Die Menschenmassen, die jährlich auf Mallorca einfallen, tun der Insel bestimmt nicht nur Gutes. In vielen Gebieten mit Massentourismus leiden die Menschen an Umweltschäden, Wassermangel und Bodenerosion. Auch soziale Spannungen nehmen zu, eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich tut sich auf.
Jeder Einzelne sollte selbst vernünftig und verantwortungsvoll entscheiden, ob er seine nächste Reise doch lieber nachhaltiger gestalten könnte: All-Inklusive-Urlaub und Ballermann-Partys sind sicher kein gutes Beispiel. Gerade in Europa gibt es immer noch genug spannende und unterbewertete Ziele, die noch nicht unter Overtourism leiden. Für mich sind das lohnenswerte Alternativen, die man mal ins Auge fassen sollte.
Andererseits liegt die touristische Verantwortung bei der Tourismusindustrie. Sie steuert und beeinflusst das Reiseverhalten ihrer Kunden. Positiv ist dabei zu bemerken, dass sich in den letzten Jahren das Thema Corporate Social Responsibility (#csr) in der Branche gut etabliert hat. „Tourismus: sicher und verantwortungsvoll“ ist die neue gemeinsame Social Media-Kampagne von Verbänden der Hotellerie, der Gastronomie und des Tourismus.
Mit neuen Reiseprogrammen und -angeboten für nachhaltiges Reisen will man für mehr Umweltbewusstsein werben. Viele Reiseveranstalter verstärken Ihre Aktivitäten für nachhaltige Projektarbeit, bei der Unterstützung von Waisenhäusern oder der Entwicklung von Dorftourismus. Sie achten vor allem in Entwicklungsländern auf akzeptable Arbeitsbedingungen der Angestellten von lokalen Partnern, den Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt und die Einhaltung von Menschenrechten. Hotelkonzerne setzen Maßnahmen zu Energieeffizienz, Wasser- und Abfallbewirtschaftung um. Die Kunden werden über Klimakompensation aufgeklärt und oft überzeugt.
Wünschenswert und zukunftsorientiert wäre es, dass touristische Verantwortung noch wichtiger wird. Tourismus ist ein Gewinnbringer für internationale Konzerne, Reiseveranstalter und Zwischenhändler. Durch #csr werden sie aufgefordert, faires Verhalten gegenüber lokalen Anbietern und Unternehmen zu zeigen: Mehr Teilhabe am Umsatz, Unterstützung von sozialen oder ökologischen Projekten. Auch die Folgen der Zerstörung von Landschaften und Ökosystemen müssen hier ins Blickfeld rücken. Und kompensiert werden.
Viele Mallorquiner haben verstanden, dass das ökologisch tragfähige Limit auf ihrer Insel schon längst überschritten ist. Mit neuen Maßnahmen wollen sie gegen Overtourism und für mehr Nachhaltigkeit kämpfen. Ob der Kampf zu gewinnen sein wird, wird sich zeigen: Der Ballermann ist Fluch und Segen zugleich, vielleicht wird er zum Sinnbild einer zuendegehenden Ära von Partytourismus ohne Gewissen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Piotr

    Danke für dein Feedback! Gruß, Piotr

  2. Markus Helfferich

    Guter Beitrag. ich hielt von diesem Partytourismus ohnehin noch nie etwas. Mich ins Koma saufen kann ich auch zu Hause. Ich bin mal gespannt auf die Inzidenzzahlen nach ein paar Wochen…
    Gruss von der Insel
    Markus

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